Für manche Menschen hat es tatsächlich den Anschein, als würden sich Kinder mit einer AD(H)S-Problematik absichtlich unsozial verhalten und andere mit ihrem Verhalten bewusst vor den Kopf stoßen. Aber sind es die betroffenen Kinder, die diesen Eindruck bei anderen erwecken oder sind es die anderen Menschen, die Betroffene durch ihre Andersartigkeit in keine Norm-Box einsortieren können und damit ausgrenzen?
Je nach Symptomausprägung ist das Trias aus Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit häufig nur wenig kompatibel mit unseren gesellschaftlichen Normen, und was die Menschen nicht verstehen, wird eben oft abgelehnt.
Aber auch die betroffenen Kinder selbst reagieren auf Gruppen und soziale Umfelder oftmals mit Rückzug, Überforderung, Desinteresse oder sogar aggressiver Abwehrhaltung. Mobbing und Ausgrenzung sind quasi vorprogrammiert. Dabei wird ganz oft vergessen, dass AD(H)S-Betroffene selbst einen hohen Leidensdruck haben. Und hier sind das Umfeld und die Gesellschaft gefordert, um Sozialkompetenzen zu stärken und Andersartigkeit nicht abzulehnen, sondern zu akzeptieren. Wie kann das gelingen?
Es gibt diverse Sozialkompetenz- und Lerntrainings, die jedoch nicht zum Ziel haben sollten, die Kinder „umzuprogrammieren“. Im Zentrum stehen viele Techniken aus der Verhaltenstherapie, wie Modell-Lernen, korrigierende Erfahrung in der Gruppe und Stärkung des Selbstbewusstseins. Wie der Name schon sagt, geht es in erster Linie darum, die Interaktionsfähigkeiten der Kinder zu stärken. Das heißt konkret, sie können lernen, wie man mit seinem Gegenüber in einem achtsamen Kontakt treten, wie man Konflikte lösen und wie man die Grenzen anderer erkennt und auch einhalten kann. Von einer erfolgreichen Gesprächsführung über das Erkennen eigener Gefühle bis hin zur Selbstregulation bei unerwünschten Themen und Impulsen, die Kompetenz, sich in gesellschaftlichen Situationen angemessen zu verhalten, wird gefördert.
Dadurch erhalten die Kinder die Chance, zum einen ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und angemessen einzufordern, zum anderen respektvoll auf andere Menschen zu reagieren und auch ihre Wirkung in sozialen Situationen zu verändern. Was von Mitschülern und Lehrern bislang als desinteressiert, arrogant und gelangweilt gegolten hat, hat nun die Chance, als Überforderungsgrenzen zu gelten und akzeptiert zu werden.
Betroffene Kinder können darüber hinaus für sich lernen, wie sie sozial sicherer auftreten und die Angst vor Versagen abbauen. Ein achtsamer Kontakt mit sich selbst hilft, eigene (negative) Gefühle wahrzunehmen. Ein verbessertes Selbstbewusstsein gepaart mit einem respektvollen Sozialverhalten sind ein tolles Rüstzeug gegen Mobbing, Ausgrenzung und Unverständnis.