Soziale Kognition

22. Apr 2022Thomas Weidauer
Soziale Kognition

Wie eine schwache Entwicklung des Gehirns das zwischenmenschliche Verhalten erschweren kann.


Man kann nicht nicht kommunizieren. Diesen Satz haben Sie vielleicht schon einmal gehört. Und dennoch bleiben uns die mentalen Zustände anderer Menschen evolutionär gesehen zunächst verschlossen. Erst im Verlauf unserer Entwicklung (und der unseres Gehirns) werden wir Strategien und Fähigkeiten entwickeln, andere zu verstehen und mit ihnen zu interagieren und zu kommunizieren. Erst dann ist Gesellschaft und Miteinander möglich.

Soziale Kognition

Diese Fähigkeit zur Interaktion nennt man soziale Kognition und laut Forschung entwickelt sie sich normalerweise zwischen dem 6. und 11. Lebensjahr.
Kognition umfasst die Reaktion auf äußere Stimuli mittels eines bestimmten Verhaltens basierend auf interner Informationsverarbeitung. Die soziale Kognition nimmt expressive und rezeptive Sprache, nonverbale Kommunikation sowie Gestik und Mimik zu Hilfe.
Ein wichtiger Aspekt in der sozialen Kognition ist die Fähigkeit, die eigenen mentalen Zustände von denen anderer Menschen unterscheiden zu können.

Aber welche Teile des Gehirns sind hier am stärksten gefragt bzw. welche Gehirnbereiche sind an diesen komplexen Funktionen beteiligt?

Im Überblick

Wenn wir von sozialen Fähigkeiten und Funktionen sprechen, sind die wichtigsten Hirnareale die Amygdala, die Temporallappen (oder Schläfenlappen), der orbitofrontale Frontallappen, der dorsomediale Frontallappen und der dorsolaterale Frontallappen. Ziemlich viele Fremdwörter und komplexe Strukturen, die wir im Einzelnen vereinfacht besprechen wollen.

Amygdala
Diese mandelförmigen Kerne im limbischen System werden von den meisten Menschen mit Angst in Verbindung gebracht. Richtig ist, die Amygdala bewertet Erfahrungen aufgrund emotionaler Erinnerungen. Das heißt, wird eine Situation als bedrohlich wahrgenommen, reagiert der Organismus mit Angst basierend auf früheren Erfahrungen und Deutungen. Ist die Funktion der Amygdala gestört, kommt es zu Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von emotionalen und sozialen Informationen.

Temporallappen
Der Temporal- oder auch Schläfenlappen, ist ebenfalls wichtig für die Erinnerung, sowohl beim Abrufen früherer Erfahrungen und auch für neue Gedächtnisinhalte. Aber die umfassendste Funktion liegt im Bereich des Hörens. Die Schläfenlappen sind somit entscheidend für ein Sprachverständnis (gesprochen und geschrieben), und Störungen in bspw. dem Wernicke-Zentrum zieht Störungen beim Sprach- und Schriftverständnis nach sich. Aufgrund der Nähe zu visuellen Funktionen helfen die Schläfenlappen auch, Gesichter, Ausdrücke, Körperhaltung und Gesten zu erkennen, was für das Verständnis von Emotionen und Intentionen anderer unerlässlich ist.

Frontallappen
Die Frontal- oder auch Stirnlappen (präfrontaler Kortex) sind der Sitz höherer Exekutivfunktionen, wie Planung, Aufmerksamkeit, Entscheidungsfindung, Denken und auch Persönlichkeit. Hierbei wird ganz grob weiter in dorsolateralen und orbitofrontalen Kortex unterteilt. Dorsolateral geht es vorrangig um exekutive Funktionen und das Arbeitsgedächtnis, während orbitofrontal noch emotionale und motivationale Gründe für eine Entscheidung berücksichtigt werden. Bei Störungen in diesem Bereich kommt es häufig zu emotionaler Labilität und Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung, zielgerichtetem Verhalten und Organisation.

Zieht man nun alle oben genannten Gehirnbereiche und Funktionen in Betracht, wird klar, warum eine gesunde Gehirnentwicklung für ein gesundes Miteinander unerlässlich ist. Ist diese Entwicklung durch irgendwelche Umstände gestört oder findet nicht normgerecht statt, kann es zu Problemen nicht nur im Leistungskontext (Schulleistungen) kommen, sondern vor allem zu Schwierigkeiten im Bereich der zwischenmenschlichen Kommunikation, dem adäquaten Verhalten anderen gegenüber, der Empathie und dem „Lesen“ der mentalen Zustände unserer Mitmenschen.

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