Immer noch gehen viele Menschen und auch Fachleute davon aus, dass es sich bei AD(H)S um eine reine Kinder-/Jugend-Erkrankung handelt. Das mag zum einen an der zunehmenden Anpassungs- und Kompensationsfähigkeit Betroffener liegen, zum anderen an Studien, die teilweise geringe Diagnoseraten ab einem Alter von 20 vorlegen.
Doch das gilt anscheinend nur für das große Ganze. Denn es gibt gleichermaßen Studien, die belegen, dass, dass viele der Symptome aus der Kindheit auch im Erwachsenenalter noch persistieren. Wir können also von einer Veränderung der Schwierigkeiten sprechen, kaum aber von einem Verschwinden.
Das bedeutet zwar, dass ein betroffener Erwachsener vielleicht nicht mehr über Tische und Bänke springt, aber dennoch im Alltag mit etlichen Hürden und Herausforderungen umgehen muss. Zu den erwachsenen (verbleibenden) Symptomen zählen in unterschiedlicher Ausprägung:
- starke und schwankende Emotionalität
- erhöhte Impulsivität
- übermäßig starke, innere Unruhe
- Schwierigkeiten bei Aufmerksamkeit und Konzentration
- Probleme, Leistung zu erbringen oder aufrechtzuerhalten
- verminderte Sozialkompetenz
- ausgeprägte Kompensationsstrategien, wie Vermeidung,
- Schwierigkeiten, sich selbst und den Alltag zu organisieren
- große Ungeduld
Die Folgen sind häufig nicht nur negativ, sondern eben auch mit erheblichen Konsequenzen verbunden. Nicht selten führen sie zu Komorbiditäten - d.h. Begleiterkrankungen -, wie z.B. Depressionen, Zwangs- und Angststörungen, Suchtproblematiken und Risikoverhalten (z.B. im Straßenverkehr, bei Freizeitaktivitäten und in finanziellen Angelegenheiten). Aber auch das Innenleben und Beziehungen leiden, meist in Form von Störungen im Selbstwert, Problemen im Job und bei zwischenmenschlichen Beziehungen.
ABER, und das ist ein großes Aber: AD(H)S wird häufig als Krankheit mit vielen negativen Eigenschaften, Verhaltensweisen und einem Haufen Problemen dargestellt. Dabei wird leicht übersehen, dass betroffene Kinder und Erwachsene über tolle Fähigkeiten und Talente verfügen. Ob Erfindergeist, Hartnäckigkeit, Kreativität, unverblümte Ehrlichkeit oder Fantasie, für die Lebensführung und Berufswahl gibt es ein Füllhorn an Möglichkeiten.
Doch welche alltagstauglichen Tipps gibt es für erwachsene „AD(H)Sler“, die sie raus aus der Frustration und rein in einen funktionierenden Alltag führen können?
1 Entscheidungen vereinfachen
Zur Vermeidung von impulsiven und vorschnellen Entscheidungen hilft es, sich Zeit zu verschaffen. „Ich denke darüber nach und gebe dir morgen eine Rückmeldung/Antwort.“
2 Ziele runterbrechen
Indem Sie Ziele auf kleinere Teilschritte aufteilen, kann es weniger zu Überforderung kommen. Ein großes Ziel erzeugt viel Druck und fördert nicht nur Prokrastination, sondern verleitet auch dazu, die Aufgabe erst gar nicht anzugehen.
3 Ordnung schaffen
Eine feste Ordnung und Struktur reduziert Stress und erleichtert den Alltag. Schaffen Sie sich z.B. einen festen Platz für den Hausschlüssel und Geldbeutel. Auch Ablagen für die Post und Rechnungen helfen.
4 Aufgaben priorisieren
ToDo-Listen sind eine hilfreiche Stütze im Alltag, aber auch hier kann es schnell zu Überforderung kommen. Die Aufgaben in dringende und weniger wichtige Jobs zu unterteilen, lässt die Liste machbarer erscheinen.
5 Reizquellen minimieren
Eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne ist an sich schon eine Herausforderung, da kann Ablenkung ein echter Killer sein. Bei wichtigen Aufgaben die Umgebung zu „minimalisieren“, reduziert die Anzahl an Reizquellen und unterstützt die Aufmerksamkeit und Konzentration.
6 Rituale implementieren
Rituale sind ein wichtiger Anker, nicht nur für Kinder. Sie geben Struktur und Sicherheit, haben sogar einen Gesundheitsaspekt. Ein gesundes Abendritual kann ein Segen für die Schlafqualität sein.
7 Finanzen akribisch kontrollieren
Um Impulskäufe und Ausgaben nicht außer Kontrolle geraten zu lassen, können sich ein Haushaltsbuch und Kontolimits bewähren. Auch hilfreich ist, maximal eine Kreditkarte zu besitzen oder besser auf Bargeld zurückzugreifen.
8 Erinnerungsfunktionen nutzen
Um Aufgaben, Termine etc. nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, bieten sich Erinnerungsfunktionen auf mobilen Geräten an. Nur stellen Sie sicher, nicht in den „Snooze-Modus“ zu verfallen, sondern die Aufgabe dann auch zu erledigen.
9 Pausen fest einplanen
Um die Konzentration und Aufmerksamkeit nicht über Gebühr zu strapazieren, ist es wichtig, immer wieder Pausen einzulegen. Um die Struktur zu erhalten, empfiehlt es sich, diese Pausen fest einzuplanen (und auch hier wieder die Erinnerungsfunktion zu nutzen).
10 Achtsamkeit pflegen
Ungeduld, Probleme in Beziehungen und ein niedriges Selbstwertgefühl können Sie in einen Strudel aus Frustration ziehen. Situationen achtsam wahrzunehmen, ohne negativ zu urteilen, lässt Sie aus diesem Kreislauf aussteigen. Sorgen Sie gut für sich und nehmen Sie sich Zeit, achtsam durchs Leben zu gehen und Selbstfürsorge zu einem Teil Ihres Alltags zu machen.