Das „schwache” Geschlecht?

06. Apr 2019Thomas Weidauer
Das „schwache” Geschlecht?

AD(H)S wird häufig als Krankheit bezeichnet, die häufiger bei Jungs auftritt, obwohl man weiß, dass diese neurologische Entwicklungsstörung Mädchen genauso trifft wie ihre männlichen Altersgenossen. Woran liegt diese Einschätzung?

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte sagt, dass die ADHS-Diagnose in der Grundschule viel häufiger bei Jungs gestellt wird als bei Mädchen, d.h. auf drei Jungs kommt ein Mädchen. Eine Teilschuld hierfür liegt möglicherweise in unserer Geschlechterwahrnehmung und Erziehung. Denn fällt die Störung bei den Jungs häufig durch gesteigerte Lautstärke, Aggression und fehlende Impulskontrolle auf, sind die Mädchen in ihren Krankheitsausprägungen wesentlich gedämpfter.

Mädchen mit ADHS zeigen viel eher Symptome wie Stimmungsschwankungen, emotionale Probleme, Logorrhoe (Redefluss), Ängstlichkeit und vermindertes Selbstbewusstsein. Eine schon fast klassische Rollenverteilung: Die Jungs sind laut und dominant, während die Mädchen in sich gekehrt, mitteilsam und angepasst sind.

Für diese geringere Auffälligkeit und Lautstärke zahlen die Mädchen jedoch einen hohen Preis. Die Jungs, die ihre Aggression, die mangelnde Impulskontrolle und ihr unsoziales Verhalten häufig sehr lautstark und nachhaltig zum Ausdruck bringen, scheinen damit auch eine Art Ventil zu haben. Die Mädchen hingegen bemühen sich offensichtlich, in der Schule angepasster und weniger auffällig zu sein, was dann im häuslichen Umfeld in depressive Symptome umschlägt. Das wiederum führt in späteren Jahren sehr oft zu weiteren Komorbiditäten. Zu diesen zählen nicht nur Depression und Angststörungen, sondern auch Essstörungen und selbstverletzendes Verhalten.

Vielleicht ist es nicht nur wichtig, unsere „Geschlechter-Schablonen” bei der Erziehung zu überdenken, sondern auch bei den Störungs-Stereotypen etwas weiter über den Tellerrand zu blicken, um Mädchen und Jungs möglichst früh und möglichst gezielt Hilfe zukommen zu lassen und ihnen bei ihrer sozialen und schulischen Kompetenz unter die Arme zu greifen.

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