15. Feb 2021Thomas Weidauer
Nicht nur in einem Lockdown kann zu viel Bildschirmzeit Schaden anrichten
Es gibt diese lustig gemeinten Social Media Beiträge, die zwei Fotos nebeneinander stellen, auf denen Kindheit vor 30-40 Jahren und Kindheit heute zu sehen ist. Bild links zeigt eine Gruppe von Kindern, die fröhlich im Matsch herumtoben oder auf Bäume klettern, Foto rechts zeigt ein (einsam wirkendes) Kind vor einem Bildschirm.
Wenn man zu der Gruppe gehört, die ihre Kindheit vor 30-40 Jahren hatte, nickt man teils erheitert, teils hochnäsig mit dem Kopf, um gleich darauf weiter durch Facebook scrollend das digitale Zeitalter zu verteufeln.
Dennoch scheint diese Darstellung eine bedrohliche Realität geworden zu sein. So sehr, dass sich auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berufen gefühlt hat, neue Richtlinien für die körperliche Aktivität und den Schlaf von Kindern unter 5 Jahren herauszugeben. Den Empfehlungen dieser neuen Richtlinien in den ersten fünf Lebensjahren zu folgen, wird laut WHO zu motorischen und kognitiven Entwicklung und lebenslanger Gesundheit der Kinder beitragen.
Bislang gab es die Empfehlungen zu körperlicher Aktivität nur für drei Altersgruppen: 5-17 Jahre, 18-64 Jahre und über 65 Jahre.
Für die Richtlinien hat die WHO zahlreiche Studien überprüft und folgende Ergebnisse in drei Bereichen dargelegt:
1. Körperliche Aktivität steht in Verbindung mit verbesserter Entwicklung der motorischen und kognitiven Fähigkeiten, der psychosozialen und kardiometabolischen Gesundheit.
2. Zeit, die im Sitzen verbracht wird, zeigt einen Zusammenhang zwischen Bildschirmzeit und Fettleibigkeit sowie zwischen der Zeit im Sitzen und Fettleibigkeit/motorische Entwicklung.
3. Schlafzeit: Es hat sich gezeigt, dass eine kürzere Schlafdauer mit Problemen im Bereich Adipositas, Emotionsregulation, Wachstum und einigen Faktoren der kognitiven Entwicklung zusammenhängt.
Laut Schätzungen von 2012 ist das Nicht-Einhalten der Empfehlungen für körperliche Aktivität für weltweit mehr als 5 Millionen Todesfälle pro Jahr verantwortlich, vorrangig durch NCDs. NCDs sind nicht übertragbare Krankheiten, wie z.B. Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, chronische Atemwegserkrankungen und psychische Störungen. Aber wie genau sehen die Empfehlungen der WHO für unsere Kleinen aus? Hier ein Überblick:
Säuglinge (unter 1 Jahr):
- Aktivität mehrere Mal pro Tag durch interaktives Spiel auf dem Boden; mindestens 30 Minuten auf dem Bauch liegend (über den Tag verteilt)
- nicht länger als 1 Stunde am Stück festgeschnallt (Kinderwagen, Hochstuhl, Wippe etc.); keine Bildschirmzeit, stattdessen Interaktion mit der Bezugsperson
- 12-16 Stunden Schlafzeit, inklusive Nickerchen
Kleinkinder (1-2 Jahre):
- mindestens 180 Minuten körperliche Aktivität, über den Tag verteilt; inklusive Aktivität mit moderater bis starker Intensität
- nicht länger als 1 Stunde am Stück festgeschnallt (Kinderwagen, Hochstuhl), keine Bildschirmzeit für 1-Jährige; nicht mehr als 1 Stunde Bildschirmzeit für 2-Jährige
- 11-14 Stunden Schlafzeit, inklusive Nickerchen; regelmäßige Schlaf- und Wachzeiten
Kinder (3-4 Jahre):
- mindestens 180 Minuten körperliche Aktivität, über den Tag verteilt; 60 Minuten davon mit moderater bis starker Intensität
- nicht länger als 1 Stunde am Stück festgeschnallt (Kinderwagen, Hochstuhl), nicht mehr als 1 Stunde Bildschirmzeit
- 10-13 Stunden Schlafzeit, inklusive Nickerchen; regelmäßige Schlaf- und Wachzeiten
Die steigende Inaktivität, Schlafprobleme und Bildschirmzeit schon im Kindesalter bergen also große Gesundheitsgefahren und führen häufig zu einer Fettleibigkeit in jungen Jahren. Diese wiederum kann die Ursache für unterschiedliche Krankheits- und Störungsbilder sein, hierzu zählen Diabetes, Bluthochdruck, Schlafapnoe, Depression, ADHS, Lernstörungen, Angststörungen etc.