ADHS - das wächst sich aus!…oder eher nicht?

24. Okt 2019Thomas Weidauer
ADHS - das wächst sich aus!…oder eher nicht?

So kontrovers nach wie vor diskutiert wird, ob es die Krankheit ADHS wirklich gibt, so zweifellos war man lange der Meinung, dass ADHS eine reine Kinderkrankheit ist und sich „auswächst“. Das ist auch der Grund, warum es lange kein Medikament bzw. keine Zulassung für Erwachsene gab. Mittlerweile ist man schlauer und Studien legen dar, dass (je nach Quelle) 30 bis 60 Prozent der betroffenen Kinder diese Krankheit mit in ihr Erwachsenenleben nehmen.

Warum bestand so lange eine ignorante, fast aggressive Haltung gegenüber betroffenen Erwachsenen? Nun, das liegt zum einen an der Problematik im Zusammenhang mit einer eindeutigen Diagnose. Denn nicht nur die Symptome verändern bzw. verlagern sich mit zunehmendem Alter, auch die eindeutige Zuordnung wird schwierig, da nicht nur Komorbiditäten, sondern auch Diagnosekriterien, die zusätzlich in anderen Krankheitsbildern zu finden sind, hinzukommen. Wurde ADHS im Kindesalter weder diagnostiziert noch behandelt, erhöht sich der Schwierigkeitsgrad abermals.

Die prägnanteste Symptomverschiebung sieht man im Erwachsenenalter im Bereich der Hyperaktivität, da fällt der Begriff „Zappenphilipp“ nur noch selten, weil die Betroffenen zum einen gelernt haben, sich selbst zu regulieren, zum anderen eher als ungeduldig gesehen werden. Äußerst selten wird in diesem Zusammenhang an ADHS gedacht.
So zeigt sich im Berufsalltag der Kollege, der langsam arbeitet, immer alles vor sich herschiebt, schwer zu motivieren ist und auch über schlechtes Zeitmanagement und Organisationstalent verfügt. Alles ein Zeichen für eine Aufmerksamkeitsschwäche.
Kommt in Meetings oder Besprechungen eine gewisse Unruhe hinzu, hat man es mit einem Kollegen zu tun, der seine Impulse nicht unter Kontrolle hat. Er lässt andere meist nicht ausreden, macht häufig umpassende Kommentare und wirkt allgemein als ungeduldig und ungehalten.

Da Schwierigkeiten beim Organisieren, Konzentrieren und Geduldüben im Erwachsenenalter häufig als Typmerkmal oder Persönlichkeitsanteil gesehen werden, denkt niemand an ADHS. Und dennoch sind die Auswirkungen tiefgreifend. Zum einen haben Betroffene Schwierigkeiten im Beruf, d.h. sie ecken bei Kollegen an und tun sich in klassischen Hierarchie-Situationen schwer. Aber auch privat sind Beziehungen von Problemen gekennzeichnet. Erwachsene mit ADHS wirken anstrengend und arrogant, da es ihnen teilweise an Sensibilität und Empathie mangelt.

Die mit ADHS verbundenen Schwierigkeiten, mit Stress umzugehen und Impulse zu kontrollieren, führen leider häufig zu mangelndem Selbstbewusstsein durch das ständige Gefühl von Scheitern und damit auch zu sozialer Isolation, ein Nährboden für Depressionen, Ängste und Suchtproblematiken. Auch kriminelle Handlungen - nicht nur zur Suchtmittelbeschaffung, sondern auch wegen der fehlenden Impulskontrolle -, riskantes Verhalten bei Finanzen, Sport und Verkehr können auftreten.

Doch die hohe Emotionalität hat auch ihre guten Seiten. Erwachsene mit ADHS sind recht erfinderisch, sie haben viele Ideen und zum Teil sogar Züge eines „Workaholic“ oder „High-Functioner“, können bei entsprechender Unterstützung also enorm erfolgreich in ihrem Tun sein.

Leider gibt es keine speziellen Diagnose-Kriterien für Erwachsene mit ADHS, hier gelten die Parameter für das Kinder- und Jugendalter. Doch es ist sehr wichtig, organische Erkrankungen und Persönlichkeitsakzentuierungen abzugrenzen.

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