Schule - schwierig, schwieriger

27. Aug 2020Thomas Weidauer
Schule - schwierig, schwieriger


Mit AD(H)S, Lernschwäche und Co. ist Schule immer ein schwieriges Thema

Viele klagen in Zeiten einer Pandemie über den erschwerten Schulbesuch mit vielen Auflagen. Doch wie ergeht es Eltern, deren Kinder von Schwierigkeiten, wie Lernschwäche, AD(H)S, Autismus, Tics etc. Betroffen sind? Fehlende Motivation, Schulangst und Ausgrenzung sind Themen, gegen die Maskenpflicht und Hygieneauflagen verblassen.

Für viele dieser Kinder gleichen die Schule und die damit verbundene Aufgaben einem wahren Schreckgespenst. Gesellt sich zu einer Unlust oder gar Angst noch eine (oder mehrere) Lernschwierigkeit(en) hinzu, kann der tägliche Gang in den Klassenraum zu einer Odyssee werden. 

Neben der neurologischen Lerntherapie gibt es auch einige Alltagstipps, die helfen können, dass Lernen und Schule wieder mehr Spaß machen.

Belohnungssysteme

Erfolge und vor allem tatkräftige Bemühungen zu belohnen und mit positiven Verstärkern zu belegen, erhöht die Lernmotivation und schafft Anreize für engagiertes Lernen. Die Art und Form des Belohnungssystems bleibt dabei ganz der Fantasie überlassen. Gute Noten und erledigte Hausaufgaben gegen Bildschirmzeit zu tauschen, ist allerdings - wenn auch wirksam - die schlechteste Variante. Im Gegensatz dazu bieten sich Ausflüge (ins Schwimmbad, in den Trampolin-Park, in den Zoo) an, die obendrein noch mit Bewegung und Sinneseindrücken verbunden sind. Oder das Kind kann je nach Note Punkte sammeln, die am Ende eines Schuljahrs gegen die große Reise in einen Vergnügungspark getauscht werden können.

Sinnvolle Zielsetzung

Wer über einen zu breiten Graben springen muss, bekommt nicht nur Angst, sondern läuft auch Gefahr, zu stürzen. Gestalten Sie Lernziele überschaubar und in kleinen Schritten erreichbar für Ihr Kind. Kaum etwas ist demotivierender als ständig an einer zu großen Hürde zu scheitern. Viele Mini-Erfolge sind allemal besser als häufiges Scheitern an einer Aufgabe, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht zu bewältigen ist.

Werden Sie zum Sidekick

Was in den ersten Schuljahren für viele Eltern selbstverständlich ist, kommt bei größeren Kindern in der Sekundarstufe häufig zu kurz: Hilfestellung. Bei unseren Grundschülern ist es irgendwie ganz normal, aber auch auf der weiterführenden Schule freut sich Ihr Kind über Hilfsangebote. Dabei sind Sie als Erwachsener oft besser in der Lage, Aufgaben zu strukturieren und in kleinere, an die Fähigkeiten Ihres Kindes angepasste Schritte einzuteilen. Und es kann richtig Spaß machen, als Erwachsener mal wieder in die Vorbereitung eines Referats abzutauchen. Und keine Angst vor „Bildungslücken“, die bekannten Suchmaschinen helfen Ihnen zur Not auf die Sprünge.

Den Alltag „wissenschaftlich“ gestalten

Seien Sie ein Alltagslehrer für Ihr Kind. So kann es spielerisch Informationen aufnehmen. Schnappen Sie sich beim nächsten Geburtstag einen der Luftballons und reiben Sie ihn an Ihrem oder dem Kopf Ihres Kindes. So können Sie ihm die elektrostatische Aufladung erklären und illustrieren, vielleicht das Interesse an Physik wecken.
Oder beziehen Sie Ihr Kind über Fragen in den Alltag ein. „Weißt du, warum die Blätter der Bäume im Herbst ihre Farbe verändern?“ Da schadet es auch nichts, sich als Elternteil einmal „dumm zu stellen“. So schulen Sie die Achtsamkeit Ihres Kindes, bleiben im Dialog und lernen vielleicht beide noch etwas dazu.

Auf den Lerntyp eingehen

Das Lernen und die Merkfähigkeit werden um ein Vielfaches verbessert, wenn man dazu mehr als einen Sinneskanal nutzt. Jeder kennt den Begriff vom fotografischen Gedächtnis. Und auch wenn unsere Sinne immer aktiv sind und zusammenarbeiten, gibt es beim Lernen individuelle Vorlieben. Häufig wird unterschieden zwischen dem visuellen, dem auditiven und dem kinästhetisch-motorischen Lerntyp. Das kann und sollte beim Lernen zuhause Berücksichtigung finden, da solch eine Individualisierung im Klassenraum nicht stattfinden kann.
Für den visuellen Typ, der mit den Augen und über Bilder lernt, sind Schaubilder, Mindmaps und bebilderte Karteikarten eine große Lernhilfe.
Der auditive Typ hingegen spitzt gern die Ohren und empfindet Audio-Dateien, Sprachnotizen und Hörbücher als unglaublich hilfreich.
Der Kinästhet hingegen (be)greift die Welt im wahrsten Sinne des Wortes, er lernt durch Fühlen, Bewegung und Gestik. Am besten lernt dieser Typ, wenn er beim Pauken im Zimmer umherlaufen und dabei ein Objekt fassen, drücken, greifen kann.

Back to nature

Die Natur ist nicht nur ein guter Lehrmeister, sondern auch der optimale Sinnesfilter. Während das Leben in unseren Städten und der Alltag mit vielen elektronischen Medien einer ständigen Reizüberflutung gleicht, kann man in der Natur nicht nur die Sinne schärfen, sondern sie auch individuell und gezielt wahrnehmen. Angeblich bewegen sich zwei Drittel aller Schulkinder weniger als eine Stunde am Tag. Dreck unter den Fingernägeln, selbst gebaute Baumhäuser, Kreidebilder auf dem Asphalt, Verstecken spielen, bis es dunkel wird - nur noch eine Erinnerung aus einer früheren Zeit?
Doch das Spielen im Freien ist ein unverzichtbarer Bestandteil der kindlichen Entwicklung. Außerdem bietet sich ein Ausflug in den Wald, den Park oder zu einem Bauernhof zum Lernen an. Schließlich gibt es dort jede Menge zu sehen, zu riechen, zu hören, zu erkunden und zu erforschen. Und es sorgt für eine Pause von Büchern, Klassenzimmern und Co.

Pausentaste drücken

Bei aller Schulstruktur und dem ganzen Lerndruck sollten Sie Ihrem Kind auch die Chance geben, sich im freien Spiel treiben zu lassen. Spiel ist mit Bewegung sowie körperlicher, geistiger und seelischer Entwicklung verbunden, also schaffen Sie bewusst Platz dafür im Wochenplan. Dadurch gewöhnt sich Ihr Kind an die Freiräume und wird nach und nach automatisch überlegen, was es in dieser Zeit machen möchte.

Und vergessen Sie nicht, bei allem Druck in Sachen Schulspaß, Lernmotivation und gute Noten braucht jedes Kind auch Freiräume, Möglichkeiten zur Entwicklung und Achtung der eigenen Individualität.

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