Wir leben in einem Zeitalter der fast unbegrenzten Informationsmöglichkeiten. Trotzdem oder gerade deswegen scheinen wir im absoluten Förderwahn zu sein. Das beginnt schon bei den ganz Kleinen bzw. noch früher. Schwangere laufen bereits von Kurs zu Kurs und sehen sich aufgrund der Betreuungssituation gezwungen, ihr ungeborenes Kind noch vor dem ET in einer KiTa unterzubringen. Sind die lieben Kleinen dann einmal da, sind PEKiP, Babymassage, Krabbelgruppe etc., dicht gefolgt von musikalischer Frühförderung, Sportangeboten, Logopädie und weiteren Fördermöglichkeiten an der Reihe.
Vieles davon, wenn nicht sogar das Meiste, ist absolut sinnvoll, doch sind unsere Kinder einmal im Schulsystem angekommen, mutieren viele Aktivitäten vom Freizeitspaß zum Freizeitkiller. Förderung um jeden Preis?
Wissenschaftler sind sich einig, dass die kindliche Entwicklung sogar massiv gestört werden kann, wenn zu wenig Zeit für freie Entfaltung zur Verfügung steht und der Alltag schon in jungen Jahren mit Terminen durchgetaktet ist. Die sogenannten integrativen Potenziale des "Draußenspielens" sind hinreichend belegt. Und auch wenn es nicht exakt der Realität entspricht, dass unsere Kinder nach der Schule von der Nachhilfe zum Musikunterricht und im Anschluss zum Sporttraining hetzen, haben Kinder heute viel weniger Zeit für freies Spiel mit ihren Freunden als früher.
Spielen verbindet, es braucht nicht viel (oft nur eine Wiese und einen Ball), Kommunikations- und Kooperationsfähigkeiten werden gestärkt und die soziale Kompetenz wächst. Das empfinden auch die Kinder so. Das Kinderhilfswerk hat zum Weltspieltag 2018 eine Umfrage durchgeführt und herausgefunden, dass 64 % gern häufiger mit ihren Freunden draußen spielen würden. Und auch die Hindernisgründe, die dagegen sprechen, sind interessant. So nannten 8 % Gefahren und Problem im und mit dem Straßenverkehr, 27 % strenge Erwachsene, die sich z.B. über Lärm beschweren, 11 % Schwierigkeiten mit anderen Kindern, 24 % die mangelnden Spielmöglichkeiten und 13 % die Verbote ihrer Eltern als Gründe, nicht draußen spielen zu können.
Ein gesellschaftliches Problem also, das aber weitreichende Konsequenzen für eine gesunde Entwicklung hat. Freies Spielen lässt das Gehirn des Kindes wachsen, denn im Spiel (ohne Vorgaben und Termine) werden Botenstoffe freigesetzt, die neue Vernetzungen im Gehirn fördern.
1. Setzen Sie Ihr Kind vor die Tür.
Zwei Drittel aller Schulkinder bewegen sich weniger als eine Stunde am Tag. Dreck unter den Fingernägeln, selbst gebaute Baumhäuser, Kreidebilder auf dem Asphalt, Verstecken spielen, bis es dunkel wird. Alle diese Spiele sind seltener geworden. Gleichzeitig ist die Zahl der übergewichtigen Kinder stark gestiegen. In der breit angelegten deutschlandweiten KiGGS-Studie wurde festgestellt, dass 2006 15 % der Kinder übergewichtig waren. Davon war fast die Hälfte sogar stark übergewichtig, adipös. Draußenspiel ist daher ein wichtiger Baustein in der kindlichen Entwicklung. Draußenspiel ist ohne körperliche Bewegung nicht denkbar. Rennen und Toben, Balancieren, Klettern und Ballspielen gehören dazu. Aber auch vergleichsweise ruhige Tätigkeiten haben nichts mit der Bewegungslosigkeit vor den elektronischen Medien zu tun. Wer Schiffchen auf einer Pfütze aussetzt oder mit Kreide auf der Straße malt, muss sein Gleichgewicht in der Hocke halten können. Kinder haben Spaß daran, ihre Geschicklichkeit immer wieder zu trainieren und so die eigenen körperlichen Grenzen zu erweitern. Immer wieder üben sie das Einradfahren oder gewagte Sprünge mit dem Skateboard. Der Antrieb dazu kommt aus ihnen selbst und wird höchstens angeregt durch das Vorbild anderer Kinder.